Glaukom und Psyche

  • Danke Jenat! Sehr interessant.

    Gibt es Erkenntnisse darüber, ob durch Glaukom eine Angststörung ausgelöst werden kann, die sich nicht dem Glaukom, sondern einer anderen Situation zuwendet.?

    Es ist sehr beglückend, sich mit kompetenten Menschen auszutauschen.

    Ein lieber Gruß

    memory

  • Danke Jenat fürs Einstellen!

    Der geschilderte Fall ist absolut nachvollziehbar.

    Sicher kann sich jeder hier vorstellen, dass die Vorstellung, man könnte erblinden, zu den größten Ängsten überhaupt gehört.

    Die in dem Artikel eingangs genannten Zahlen erschrecken: offenbar leiden viele an Glaukom Erkrankte auch an psychischen Störungen, wie insbesondere Angst und Depression.

    Konkret heißt es da (etwa Mitte 3. Absatz):

    "Es konnte festgestellt werden, dass eine Angststörung bei 17,1 % der Patienten mit Glaukom bestand gegenüber nur 2,1 % ohne Glaukom, und eine Depression lag bei 22 % der Patienten mit Glaukom gegenüber 2,3 % ohne Glaukom. Bis zu 10 x höher ist das Risiko für das Auftreten von psychiatrischer Erkrankungen mit der chronischen Erkrankung Glaukom."

    Als Referenz dazu wird folgende Studie genannt:

    Zhang X, Olson DJ, Le P. et al.

    The association between glaucoma, anxiety, and depression in a large population.

    Am J Ophthalmol 2017;

    Die findet man hier leider nur als Abstract :

    https://www.ajo.com/article/S0002-9394(17)30322-7/fulltext


    Ausgewertet wurden in dieser an der University of North Carolina gemachten Studie über 4.400.000 Krankenakten aus den Jahren 2008 - 2015 anhand der international gebräuchlichen Diagnosecodes.

    Vielleicht kann sich mal jemand dieses abstract anschauen, der mit der Methodik solcher Studien vertraut ist.

    Ich bekomme nämlich die Ergebnisse in diesem abstract nicht mit den Zahlen in Einklang, die der Thieme- Artikel unter explizitem Hinweis auf diese Studie verwendet.

    Hab' aber mal in Statistik nicht aufgepasst - vielleicht wird da Unterschiedliches berechnet (Odds ratio / oder Risiko?) :schulterzuck:

    LG

    Chanceline

  • Liebe Chanceline,

    da spricht die Perfektionistin. Lies Strempel, keine Angst vorm grünen Star. Da steht das alles und deswegen wirkt ja die Musiktherapie. Damit ist eigentlich alles gesagt und ja, ich war beim Traumatherapeuten (drei Überfälle habe ich leider erlitten) und seitdem ist alles besser, Druck sinkt jetzt auf 11. Es ist ein deutlicher Zusammenhang.

    LG

    Jenat

    Ohne Musik wäre alles nichts. (frei nach Mozart)

  • Hallo Jenat,

    Perfektionismus würde ich das nicht nennen!

    Ich würde nur gerne verstehen, wie man von den Resultaten einer Studie, auf die man sich explizit beruft, auf die genannten, wirklich sehr hohen, Zahlen kommt.

    Es kann ja sein, dass da einfach eine andere Art der statistischen Auswertung gemacht worden ist. Das wird aber nirgends erläutert.

    Also halte ich es mit Churchill: traue keine Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast....

    Unbenommen davon ist, dass ganz bestimmt viele chronisch kranke Menschen ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen haben. Irgendwie lehrt das die Alltagserfahrung.

    Wenn ich dazu aber in der medizinischen Fachwelt etwas lese, dann darf ich schon fragen, wie die genannten Zahlen zustande kommen.

    LG

    Chanceline

  • Und selbst mit dem Wissen, hat man noch keinen fähigen Therapeuten.

    Vor meiner einseitigen Erblindung war ich bereits beim Schmerztherapeuten wegen meiner beidseitigen Hüftarthrose. Um seinen Behandlungserfolg zu belegen ignorierte er meine nun stärkere Depression und sagte mir ständig, wie toll er es fände, dass ich dies und jenes versuche. Alle meine Aussagen, wie schwer es mir fällt wurden durch "derzeit Renitiert.... oder ähnlich...." entkräftet.

    Da ich wohl nicht zu hypnotisieren war, war er etwas beleidigt und ich habe dann die Therapie nach 1 1/2 Jahren abgebrochen. Und auch keine Chance irgendwo eine andere zu machen, da ich nicht mehr mobil bin....

    Gruß von Katzenstube

    OP Cataract re und li (rechts erblindet)
    2019 Zyklophotokoagulation re und li ohne Erfolg, SLT links, rechts, Nachstar links entfernt

    Zyklophotokoagulation re mit Retrobulbärbetäubung mit Erfolg nach OP

  • Unbenommen davon ist, dass ganz bestimmt viele chronisch kranke Menschen ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen haben. Irgendwie lehrt das die Alltagserfahrung.

    mit Sicherheit!

    Wenn man schon massive Probleme hat, die relativ geringe Wahrscheinlichkeit einer eventuellen schweren Sehvermögensverschlechterung zu verkraften, wie geht es dann den hunderttausenden an z.B. Krebs Erkrankten, bei denen das Leben bedroht ist?

    Einmal editiert, zuletzt von Parchita (18. Mai 2021 um 09:38)

  • Da gebe ich Chanceline und Parchita absolut recht.

    Ich selbst kann bei mir ganz sicher feststellen, dass meine Angststörung eine reaktive Folge mehrerer, teilweise schwerwiegender, Erkrankungen ist.

  • Wenn man schon massive Probleme hat, die relativ geringe Wahrscheinlichkeit einer eventuellen schweren Sehvermögensverschlechterung zu verkraften, wie geht es dann den hunderttausenden an z.B. Krebs Erkrankten, bei denen das Leben bedroht ist?

    Du sagst "relativ geringe Wahrscheinlichkeit" - andere mögen das anders sehen.

    Und genau da dürfte das Problem liegen: wenn wir von akut schmerzhaften Extremzuständen absehen, dann ist die Schwere oder gar Bedrohlichkeit einer Krankheit eine Frage der Wahrnehmung, der Erfahrungen, der Informationen, die man hat, und der Fähigkeiten, diese zu verarbeiten.

    Zumal wir es beim Glaukom mit einer Erkrankung zu tun haben, von der man erst mal wenig spürt; was aber dank moderner Diagnostik und Vorsorge inzwischen auch für etliche andere, früh diagnostizierbare Erkrankungen zutrifft.

    Akute Schmerzen oder eine sinnlich begreifbare Wahrnehmung der Krankheit gibt es da zunächst nicht.

    Also eher Kopfkino!

    Damit das bitte keiner falsch versteht: ich rede nicht von Einbildung! Ich meine diesen Prozess, den wir alle durchmachen, wenn wir eine Diagnose bekommen, oder den Verdacht haben, krank zu sein.

    Manche - wie in diesem Forum zu beobachten - werden umso panischer und ängstlicher, je mehr sie sich mit der Krankheit beschäftigen und querbeet durchs Netz lesen.

    Was man da liest, ist nicht gerade beruhigend: unisono enthält fast jeder einschlägige Artikel den Hinweis, Glaukom sei weltweit eine der häufigsten Ursachen für Erblindung!

    Dass das in unterschiedlichen Ecken der Welt sehr unterschiedlich aussieht, überliest man oder es steht da nicht!

    Und dann kommen auch noch solche seriösen Artikel (Thieme!) wie der gestern eingestellte, die operieren mit derart hohen Prozentsätzen von angsterkrankten bzw. depressiven Glaukompatienten, dass einem nur angst und bange werden kann!

    Da genauer hinzuschauen und das geballte Zahlenwerk auf seine Bedeutung hin zu befragen ist kein Perfektionismus, sondern auch nur so eine Art, den Kopf nicht in den Sand zu stecken.

    Andere hingegen sagen: ich merke von dem (angeblichen) Glaukom doch gar nix, und solange dem so ist, bin ich gesund und mache mir keinen Kopf!

    Dazwischen ist das ganze Spektrum aufgespannt und jeder sucht sich seinen Weg.

    LG

    Chanceline

  • Ich gebe dir absolut Recht, Chanceline.

    Als wirklich mit allen Wassern gewaschene Angsterkrankte unterstreiche ich vor allem das Bild mit dem "Kopfkino".

    Das ist nämlich oft wirklich das größte Problem.

    Wenn man den Film "Glaukom" in seinem Kopfkino nämlich zu Ende sieht und im Abspann womöglich die Option "Erblindung" entdeckt, dann löst das zwangsläufig erstmal lähmende Angst aus.

    Und in der Angst sieht man eben - im wahrsten Sinne des Wortes - nicht mehr klar und blendet die vielen guten Optionen und Chancen dieser Erkrankung, zu Unrecht, völlig aus.

    Dass Glaukome in der Regel sehr langsam verlaufen, die Behandlungsmöglichkeiten sich permanent verbessern und komplette Blindheit bei guter und konsequenter Behandlung inzwischen doch eher selten eintritt, das hat die Krankheit Glaukom vielen anderen Krankheiten, wo nämlich kaum oder keine guten Optionen zur Verfügung stehen, doch immerhin voraus.

    Das sollte man nie aus den Augen verlieren. Weder im ersten Schockmoment der Diagnose noch im weiteren Verlauf, wenn einen mal wieder eine Angstwoge packen will.

  • Wieviele komplett Erblindete durch Glaukom gibt es denn in den Industrieländern?

    Die Meisten wissen gar nichts von ihrem "Glück", sind nicht diagnostiziert und fühlen sich absolut gesund.

    Habe mal irgendwo gelesen, dass von den Diagnostizierten, ca. 50% die Behandlung mit Tropfen abbrechen.

    Ich habe solch einen Fall in der Familie. Mein Onkel, mit ca. 60 Jahren Glaukom diagnostiziert, 1 Woche Augentropfen genommen, danach die Behandlung abgebrochen und nie mehr beim Augenarzt gewesen. Neulich wurde er 80 und hat angeblich keinerlei Probleme mit dem Sehvermögen.

    Ich bin natürlich fassungslos aber ich vermute, dass ist mal gar nicht so selten.

  • Wenn man schon massive Probleme hat, die relativ geringe Wahrscheinlichkeit einer eventuellen schweren Sehvermögensverschlechterung zu verkraften, wie geht es dann den hunderttausenden an z.B. Krebs Erkrankten, bei denen das Leben bedroht ist?

    O das geht für mich am Wesen Verknüpfung von Angst und Glaukom sehr vorbei.

    Wenn Du eine andere akute Erkrankung hast, z.B. wenn Du Dir beide Beine gebrochen hast und eine Weile im Rollstuhl sitzt oder wenn Du nach einem Schlaganfall nicht mehr sprechen kannst, dann hast Du immer noch die Hoffnung auf Grund vieler anderer Beispiele, daß sich durch effektive Behandlung alles wieder zum Guten oder zumindest zum Besseren wendet.

    Selbst bei einer Krebserkrankung wirst Du Dich nach der Diagnose und manchmal sogar bis zu Deinen letzten Tagen noch von dem Prinzip Hoffnung leiten lassen. Und man wird als Arzt dem Patienten auch nie die ganze Hoffnung nehmen.

    Aber bei dem Glaukom kannst Du ja nicht davon ausgehen, daß das heilbar ist oder sich bessert. Im Grunde kann es nur schlechter werden. Deshalb senkt sich eine dunkle Wolke über die Seele und man muß selbst einen Weg finden, damit umzugehen.

    Jedem an Krebs Erkrankten wird im Krankenhaus oder in der Reha psychologische Unterstützung angeboten. Für die Gefühlswelt des Glaukompatienten interessiert sich in der Praxis niemand.

    Stattdessen wird die Angst tatsächlich noch geschürt durch Angaben wie "....Glaukom häufigste Erblindungsursache".
    Hier wollte ich das Zitat von Chandeline zu dem Thieme -Artikel einfügen, von dem einem Angst und Bange werden kann, dem stimme ich zu (Einfügen funktionierte gerade nicht).

    Tatsache ist aber die häufigste Erblindungsursache mit 40 % die Maculaerkrankung, mit ca 18 % Glaukom und Diabetes und der Rest entfällt auf Retinopathien z.B. durch maligne Myopie und Retinitis pigmentosa sowie einige noch weitere seltene Erkrankungen.

    Ich wundere mich immer: Ca 40 % aller Menschen über 80 Jahre sind in Ihrem Sehvermögen durch Maculopathien erheblich eingeschränkt, das wird von den Menschen, die ich kenne, viel leichter hingenommen.

    Ich kenne auch viele Diabetiker. Auch da wundere ich mich, daß das Erblindungsrisiko in ihrer Vorstellungswelt so wenig verankert ist. Und das ist nun wirklich eine Erkrankung, die man durch seinen Lebensstil wirklich beeinflussen kann.

    Dann kommt noch dazu, daß es keine genaue Erfassung gibt, wie hoch das Erblindungsrisiko bei bestehendem Glaukom im Laufe des Lebens tatsächlich ist.
    Es gibt in Deutschland dafür kein zentrales Register (wie z.B. bei Krebs).

    In Bezug auf Glaukom gibt es meiner Meinung nach so eine Art "Massenpsychose". Mit der Diagnose ist automatisch die Vorstellung von Erblindung verknüpft.
    Kein Wunder, daß sich diese Vorstellung festsetzt, wenn man die Diagnose erfährt.

    Viele Grüße an alle Malve

  • Und man wird als Arzt dem Patienten auch nie die ganze Hoffnung nehmen.

    Liebe Malve, da bist Du aber komplett auf dem Holzweg.

    Ich habe viele Fälle im Freundes und Verwandtenkreis gehabt. Meine Schwiegermutter mit ihrem Glioblastom, da wurde klipp und klar gesagt, dass sie ihre Angelenheiten richten solle, da sie allerhöchstens noch 1 Jahr zu leben hätte.

    Schwiegervater wurden 6 Monate Lebenszeit verkündet (Uniklinik Kiel), war aber eine Fehldiagnose und er hat noch 10 Jahre gelebt. Er hat daraufhin sein Testament gemacht und eine grosse Reise...er hat sich vom Leben verabschiedet, er hatte keine Hoffnung.

    Meine beste Freundin, als Metastasen vom Brustkrebs in die Knochen gewachsen sind und sie noch relativ kleine Kinder hatte, der wurde klipp und klar ins Gesicht gesagt, sie solle sich auf den Tod einrichten und sich überlegen, was mit den Kindern geschehen soll...DAS wünsche ich niemandem, da war ein jahrelanges Siechtum OHNE Hoffnung.

    Ich könnte noch seitenlang davon berichten...und niemand von denen aber auch niemand hat irgendeine Art von psychologischer Unterstützung erhalten.

    Weil ich das alles erleben musste, ist mein kleines Glaukom, das super behandelbar ist in meinen Augen, ein Mückenstich, gegen das Elend und Leid, was andere ertragen müssen.

    Was gehe ich so weit, ich hatte ja in meinen jungen Jahren einen Schlaganfall, wobei mein angeborener Herzfehler entdeckt wurde, der jeden Moment zum Tode führen kann...man wollte eigentlich operieren aber dann kam eine Studie aus den USA, dass sie Op nichts an der Mortalität ändert.

    Da hat mir die Neurologin gesagt: ich muss damit klarkommen, das Leben ist lebensgefährlich, jeder von uns kann jede Sekunde sterben. Ich solle mir dessen bewusst sein, das jeder Tag von uns Menschen so gelebt werden solle, als sei es der Letzte.

    Leichter gesagt als getan....ich hatte schon monatelang eine Menge Panikzustände und Alpträume aber das nützt mir ja nichts...jetzt lebe ich immer noch - niemand kennt sein Schicksal, wir sind da in der Hand Gottes.

    Mein Vater dachte mit 59, er hätte noch viele schöne Jahre vor sich...ist tot umgefallen, innerhalb von einer Sekunde auf die andere, beim wandern, mitten im Wald

    3 Mal editiert, zuletzt von Parchita (18. Mai 2021 um 13:59)