Ich habe hier mal einen Auszug aus dem Buch "Arzneimittel in Schwangerschaft und Stillzeit" von Christof Schaefer und Horst Spielmann (Hg). 8. Aufl. 2011. S. 451 f. zum Thema "Glaukombehandlung während der Schwangerschaft": Da der Text eingescannt wurde, kann es sein, dass sich ein paar Scanfehler versteckt haben. Ich hab es aber so weit noch einmal überarbeitet.
"Insbesortdere bei Augentropfen ist mit einer signifikanten Arzneimittelresorption
über die Konjunktiven zu rechnen. Daher ist nicht auszuschlie&en und teilweise beobachtet
worden, dass beispielsweise atropinartige Substanzen und Beta-Rezeptorenblocker
Kap. 2.8.3) als Augentropfen die fetale Herzfrequenz erhohen bzw. sen-
Jcen konnen. Bedrohliche Situationen sind bei üblichen Dosen von Mydriatika zum
diagnostischen Weittropfen oder bei der Glaukombehandlung nicht zu erwarten.
Zu den nur als Augentropfen zur Verfügung stehenden Beta-Rezeptoren-Blockern gehoren
Levobunolol (Vistagan®) und Metipranolol (Betamann® Augentropfen). Die
ebenfalls zur Glaukomtherapie verwendeten Carboanhydrase-Hemmer Brinzolamid
(AZOPT®), Dorzolamid (z.B. Trusopt®) und zur systemischen Anwendung
Acetazolamid (z.B. Diamox®) sind zwar nicht systematisch untersucht, bisher haben
sich jedoch bei den langer eingeführten Präparaten keine negativen Auswirkungen
auf den Feten gezeigt. Eigene Fallberichte zu Brinzolamid oder Dorzolamid
deuten nicht auf ein embryotoxisches Risiko hin.
Die mütterliche Therapie mit 750 mg/Tag Acetazolamid (Diamox®) in den letzten
3 Tagen vor der Entbindung führte bei einem in der 34. SSW geborenen Kind zu
Tachypnoe, respiratorisch-metabolischer Azidose, Hypoglykamie und Hypokaliamie.
Die Serumkonzentration 5 h nach Geburt betrug 2,9 μg/ml, das entspricht
beinahe der therapeutischen Konzentration bei Erwachsenen (3-10 μg/ml). Nach
Normalisierung des pH-Werts besserten sich die klinischen Symptome spontan.
Am 11. Tag war kein Acetazolamid mehr nachweisbar; die weitere Entwicklung
des Kindes verlief normal (Ozawa et al. 2001). Bei den Neugeborenen von 12 Frauen,
die wegen eines idiopathisch erhohten intrakraniellen Drucks mit durchschnittlich
500 mg/Tag Acetazolamid behandelt wurden, 9 davon im 1. Trimenon, waren
keine Fehlbildungen oder andere Auff#lligkeiten nachweisbar (Lee et al. 2005).
Zu Latanoprost (z.B. XALATAN®) wurde uber 10 prospektiv dokumentierte Behandlungen
berichtct, 9 davon im 1. Trimenon. Eine Schwangerschaft endete mit
einem Spontanabort. Die 9 reifgeborenen Kinder wiesen keine Fehlbildungen auf
(de Santis 2004b). Eine andere Publikation beschreibt 2 Fälle von Behandlung mit
Latanoprost, beide im 1. Trimenon bzw. einer während der gesamten Schwanger-
schaft. Beide Neugeborenen waren gesund. Bei einer Patientin wurde die Therapie
m't Brimonidin (siehe auch weiter unten) und in beiden Fällen mit Timolol kombiniert
(Johnson et al. 2001). Eigene Fallbeobachtungen ergaben ebenfalls keine Hinweise
auf Embryotoxizitat.
Auch zu Bimatoprost (Lumigan®) zeigten eigene Fallbeobachtungen keine Hinweise
auf Embryotoxizitat. Zu Travoprost (TRAVATAN®) liegen keine Erfahrungen in
Schwangerschaft vor.
Einem Fallbericht zufolge wurde nach mütterlicher Pilocarpinbehandlung (z.B. Pi-
°mann® Augentropfen) über die gesamte Schwangerschaft ein gesundes Kind gebo-
ren (Johnson et al. 2001). Cholinergika wie z.B. Pilocarpine Clonidinzubereitungen
(z.B. Dispaclonidin®) oder Sympathomimetika wie z.B. Brimonidin (Alphagan
oder Dipivefrin sind zwar nicht systematisch untersucht, haben aber bisher keine
negativen Auswirkungcn auf den Feten gezeigt.
In einer kleinen Studie wurden 6 Kinder von 6 schwangeren Glaukompatientinnen
bis zum Alter von 2 Jahren beobachtet; im Vergleich zu einer Kontrollgruppe vvur-
den keine psycho-physischen Entwicklungsauffälligkeiten festgestellt (Razeghine
jad und Nowroozzadeh 2010).
Als Mydriatikum werden Scopolamin (Boro-Scopol®), Cyclopentolat (Zyklolm
EDO®) und Tropicamid (Mydriaticum Stulln®) angeboten. Auch wenn systeniatische
Studien fehlen, deuten jahrzehntelange Erfahrungen und vorliegende Fallberichte
nicht auf nennenswerte Risiken dieser anticholinergen Substanzen fur den
Embryo/Feten hin (• Kap. 2.5.8).
Verteporfin i.v. (Visudyne®) wird bei choroidaler Neovaskularisation eingesetzt.*
Drei Fallberichte mit Exposition im 1. Trimenon erbrachten keine Auffälligkeiten
bei den Kindern (Rodrigues et al. 2009; Rosen et al. 2009; De Santis et al. 2004a). Im
Tierversuch fanden sich bei Ratten unter sehr hohen systemisch verabreichten Dosen
Fehlanlagen der Augen.
Pegaptanib (Macugen®) wird bei feuchter Makuladegeneration intravitreal injiziert.
Erfahrungen zur Anwendung in der Schwangerschaft liegen nicht vor.
Zu anderen Biologika bzw. monoklonalen Antikorpern in der Augenheilkunde
• Kapitel 2.12.4.
Empfehlung für die Praxis
Generell gibt es keine Einwände gegen eine Glaukomtherapie in der Schwangerschaft.
Da Prostaglandine den Uterustonus erhöhen und eine Minderperfusion des Feten verursachen
konnen, sollten sie als Reservemittel betrachtet werden. Falls ein schweres
Glaukomleiden die lokale Behandlung mit Prostaglandin-Derivaten erfordert, sollte die
Dosis so niedrig wie möglich gewählt werden. Theoretisch sind auch die anderen am
Auge lokal anzuwendenden Therapeutika nicht als wirklich problematisch anzusehen.
Dies gilt wahrscheinlich auch fur Pegaptanib. Grundsatzlich sollten naturlich bewährte
Mittel bevorzugt werden. Mydriatika konnen angewendet werden. Nach unvermeidbarer
bzw. bereits erfolgter Behandlung mit Verteporfin in der Schwangerschaft ist eine weiterführende
Ultraschalluntersuchung zu empfehlen. Es ist weder ein risikobegründeter
Schwangerschaftsabbruch noch invasive Diagnostik gerechtfertigt."