• Hallo!

    Mein Mann (47) bekam die ED Glaukom 2002. Seit 2009- nach tropfen, lasern und mehreren OP- hat sich sein gesundheitlicher Zustand rapide verschlechtert. Dazu kam noch das Gekloppe mit diversen Ämtern, um finanzielle Unterstützung zu bekommen, was ihn auch verzweifeln ließ. Mittlerweile ist er zu 100% schwerbehindert, seine Sehkraft beträgt auf beiden Augen

    Aktuell ist es so, daß sich mein Mann seit ca. drei Jahren allen Hilfsangeboten verweigert. Seine AÄ hat ihm damals schon dringend angeraten, ein Orientierungs- und Mobilitätstraining zu machen, das will er aber alles nicht, weil er meint, noch alleine klar zu kommen. Vielleicht braucht er einfach seine Zeit, um alles zu verarbeiten, das kann ich zum Einen nachvollziehen, zum Anderen aber eben auch nicht. Er zieht sich absolut aus unserem Familienleben zurück, was gemeinsame Unternehmungen angeht ( ist aber schon in der Lage, z.B. alleine mit dem Zug nach HH zu fahren, um Freunde zu besuchen.). Unsere Tochter (6) soll natürlich schon mitbekommen, was los ist und soll auch lernen, ihren Vater zu unterstützen, ich möchte aber auch, daß sie mit einer gewissen Unbeschwertheit aufwächst, die in diesem Alter sein soll. Das geht aber nicht, wenn sich zuhause alles immer nur um die Behinderung ihres Vaters dreht. Egal, ob Telefonate mit Ämtern oder Gespräche mit Freunden, es dreht sich alles immer nur um seinen Zustand. Auch, wenn man ihn mal sanft auf ein anderes Thema lenkt, er findet den Weg immer wieder zurück. Versteht mich nicht falsch, ich habe sicher nicht den Anspruch, daß alles glatt läuft im Leben und alles immer nur Friede, Freude, Eierkuchen ist und bin auch gesprächsbereit, aber ich bin nicht sicher, ob ich das leisten kann, was z.B. eine SHG oder ein Psychologe zu leisten vermag, Aber von solchen Dingen will er ja nichts wissen, irgendwie meint er, er müsse das alles "alleine" durchstehen. Wir haben eine ziemlich harte Zeit hinter uns ( mental und finanziell.) und ich dachte, das hätte uns zusammengeschweißt. Aber ich merke, daß ich ihn "verliere", jeder Vorschlag an ihm abprallt und denke aktuell über eine Trennung nach. Es ist zwar nicht so, daß er den ganzen Tag in der Ecke sitzt und sich selbst bemitleidet, aber man muß höllisch aufpassen, was man sagt, er bezieht dann schnell alles auf seine schlechte Sehkraft und dann fällt er sofort in ein tiefes Loch.

    Ich kann seine Depression im Grunde ja verstehen, aber ich weiß nicht, warum er nichts tut, damit es ihm ( und damit auch seiner Familie.) bessergeht.

    Habt Ihr Erfahrung mit solchen Dingen in Eurem eigenen Leben? Ihr könnt Euch sicher in seinen Zustand hineinversetzen. Was habt Ihr getan? Was kann ich tun?

    Danke und viele Grüße Meike

  • Hallo Meike,

    das tiefe Loch kennen wir alle. Wenn der Patient nun gar nicht mehr ansprechbar ist, dann wird es sehr schwierig. Die Nicht-Ansprechbarkeit kann die Verzweifelung sein, es können aber auch Medikamente sein. Wir können ihn natürlich aus der Ferne über Dich auch nicht ansprechen.

    Welche Tropfen machen so dusselig? Ich hatte solche Erscheinungen durch Lumigan, habe auch Kollegen angeschrien, bin in Tränen ausgebrochen usw. das volle Programm. ES steht nicht auf der Packungsbeilage. Nach Tropfenwechsel ist das weg, allerdings dauert es 14 Tage bis man überhaupt was merkt und viele Wochen bis der Effekt ganz weg ist. Man wird davon wie eine Schnecke und ganz empfindlich, gegen alles. Manche Dinge kann man allerdings noch, sie kosten dann aber die Restkraft, die man noch hat. Auf der internationalen Packungsbeilage findet man das als Nebenwirkung: Asthenie heißt das lateinisch. Es ist egal, ob es Lumigan 0,1 oder 0,3 ist. Du könntest also nachschauen, ob er Lumigan tropft.

    Ansonsten schau hier nach, ob es eine Selbsthilfegruppe in der Nähe von Euch gibt, wenn er denn hingeht. Gehen muss er selbst, Du kannst ihn nicht tragen.

    Ich hatte auch einen chronisch kranken Mann (andere KRankheit) mit einem kleinen Sohn, er lies sich nicht behandeln, bzw. nur teilweise und wollte auch alles alleine usw. Das Chaos bei Euch kann ich somit nachvollziehen, auch die finanzielle Not und die Not der Kinder, die daraus resultiert. Kinder sind übrigens nicht zur Pflege ihrer Eltern da (kleine Kinder). Du hälst schon lange durch und wirst irgendwann eine Entscheidung treffen müssen. In einer Beratung sagte man mir nachher: Frauen haben im Stillen im Durchschnitt schon drei Jahre entschieden und halten dann noch immer durch - so zäh sind sie.

    Alles Gute auf Deinem Entscheidungsweg

    Antje

    Ohne Musik wäre alles nichts. (frei nach Mozart)

  • Hallo Antje!

    Vielen Dank für Deine Antwort!

    Mein Mann tropft mittlerweile gar nicht mehr, er ist nach den OP ( die Letzte 2010) quasi "austherapiert". Lumigan war vorher auch nicht dabei. Tut mir leid, das kam vielleicht nicht richtig rüber und jetzt hast Du Dir so eine Mühe gemacht, das mit den Tropfen zu erklären. :-/)

    Danke! :)

    Meike

  • Hallo Meike!

    Herzlich willkommen hier im Forum!

    Ja, das Leben mit Glaukom ist nicht immer leicht. Und schon gar nicht, wenn es fortgeschritten ist.

    Nun, Dein Mann sieht wohl keinen Sinn mehr darin sich für irgendwas zu begeistern. Halte ich wirklich für gefährlich. Hängen lassen hat noch niemandem was gebracht!
    Es ist auch nicht gut, dass jedes Gespräch bei seiner Krankheit landet. Es gibt noch andere Dinge auf der Welt, über die es sich lohnt zu sprechen.

    Ihn da rauszuholen ist sicher schwer, aber versuchen wäre doch zumindest mal ein Weg.
    Ich bin kein Psychologe, aber mich hat damals meine Tochter aus meiner "Starre" rausgerissen, als ich plötzlich merkte, wie sehr sie darunter leidet. Ich hatte das gar nicht so mitgekriegt, wie sehr sie das belastet hat.

    Vielleicht ist ein Weg zu einem Psychologen richtig für Deinen Mann. Vielleicht sind es auch überaus klare Worte von Dir, die er braucht, um wieder nach vorne sehen zu können. Auch die Gedanken um die Trennung, wenn er sich weiterhin so hängen lässt. Dass Eure Tochter darunter leidet, und dass es auch ein Leben mit schwerer Sehbehinderung gibt! Aber darauf muss man sich vorbereiten, gerade eben auch mit Langstocktraining/Mobilitätstraining.
    Auch Auflüge sind machbar... man muss es halt nur wollen.

    Ich kenne Deinen Mann nicht, und kann so natürlich nicht wissen, welches ein Weg für Deinen Mann wäre.

    Außerdem fände ich es wichtig, dass Dein Mann sich mal in einer Glaukomsprechstunde einer Uni-Augenklinik vorstellt. Man kann doch nicht nur dasitzen und quasi auf seine Erblindung warten. :haarezuberge:


    Kopf hoch, Meike....

    Liebe Grüße

    Sabine

  • Hallo Meike,

    zuerst willkommen im Forum. Dein Bericht ist echt der Hammer. Es ist sehr schwer Dir adäquat zu helfen. Vielleicht wäre es ganz sinnvoll, wenn Du Deinem Mann klar machst dass er sich selbst helfen muss bzw endlich Hilfe annehmen muss. Die Situation ist sicherlich für Euch alle völlig indiskutabel. Ein Vorschlag an Dich: denk in erster Linie an Dich und Eure Tochter. Deinem Mann kann man leider nur helfen, wenn er es selber möchte. das ist wie bei einem Suchtkranken. Manchmal hilft da nur noch die harte Tour.
    Ich wünsch Dir alles Glück.

    Viele Grüße

    Brigitte

  • Hallo Meike,

    Dein Bericht hat mich sehr berührt, es klingt alles so heillos.
    Und doch, mir kommt ein verwegener Gedanke: Wie wärs denn, wenn Du mit Deiner Tochter eine Mutter-Kind-Kur beantragst (z.B. wegen großer psychischer Belastung) und dann auch wegfährst, z.B. in den Ferien. Dann wäre Dein Mann gezwungen, sich irgendwie zu helfen und er müsste ein Training wahrnehmen. Eine Kur würde sicher auch Dir und Deiner Tochter zu mehr Abstand verhelfen und ihr könntet zur Ruhe kommen.

    Liebe Grüße
    von Reni

    Man sieht nur mit dem Herzen gut ( "Der kleine Prinz" Antoine de Saint-Exupéry)

  • Hallo Meike,

    Renis Idee ist erste Sahne, falls Du nicht schon so eine Kur hattest.

    Gruß

    Antje

    Ohne Musik wäre alles nichts. (frei nach Mozart)

  • Zitat

    Aktuell ist es so, daß sich mein Mann seit ca. drei Jahren allen Hilfsangeboten verweigert. Seine AÄ hat ihm damals schon dringend angeraten, ein Orientierungs- und Mobilitätstraining zu machen, das will er aber alles nicht, weil er meint, noch alleine klar zu kommen. Vielleicht braucht er einfach seine Zeit, um alles zu verarbeiten, das kann ich zum Einen nachvollziehen, zum Anderen aber eben auch nicht. Er zieht sich absolut aus unserem Familienleben zurück, was gemeinsame Unternehmungen angeht ( ist aber schon in der Lage, z.B. alleine mit dem Zug nach HH zu fahren, um Freunde zu besuchen.). Unsere Tochter (6) soll natürlich schon mitbekommen, was los ist und soll auch lernen, ihren Vater zu unterstützen, ich möchte aber auch, daß sie mit einer gewissen Unbeschwertheit aufwächst, die in diesem Alter sein soll. Das geht aber nicht, wenn sich zuhause alles immer nur um die Behinderung ihres Vaters dreht.

    Ich steh hier wohl allein, wenn ich den Behinderten in Schutz nehme. Vielleicht nervt ihn ja auch nur dieses "auf heile Welt machen", weil es eben nicht geht?
    Meike, wenn dein Mann schwerst sehbehindert ist wirst du deiner Tochter kein normales Leben bieten können. Meiner Meinung nach kannst du das von ihm auch nicht verlangen.

    Schick mich mit Augenklappe auf sehendem Auge los mit meinem nicht sehenden und ich werde ohne Stock gut zurecht komen - auf dem Auge habe ich 3%, über das Gesichtsfeld reden wir mal nicht...
    Ich hab um die 10% auf meinem guten Auge nach OP gehabt, bin aus der Klinik mit meinem Köfferchen gestiefelt zur Tiefgarage wo ich abgeholt wurde - das geht Alles. Schön ist das allerdings nicht. In diesem "Zustand" bin ich ca. 4 Wochen rumgelaufen, einmal hab ich mich richtig auf die Nase gelegt - einen Stock brauchte ich nicht.

    Unter 20% ist nicht blind. Wir reden hier nicht über lesen können, Gesichter erkennen oder wirkliches Sehen - aber eben auch nicht blind. Und so fahr ich auch im Zug zu meinen Freunden :keineAhnung:

    Diese sehr schwere Behinderung wird immer ein Thema sein, aber eben nicht nur das deines Mannes - vielleicht kommt er da besser mit klar als du denkst?

  • Hallo Silli!

    Natürlich hast Du Recht. Man darf auch die Seite des Mannes nicht vergessen! Die Situation dürfte für ihn alles andere als einfach sein... keine Frage!

    Ich denke aber, dass man, um einigermaßen nach vorne sehen zu können, irgendwann wirklich die Hilfe annehmen sollte, die es gibt.
    Da er aber seit 3 Jahren jegliche Hilfe ablehnt, bin ich zu meinen Worten gekommen.

    Liebe Grüße

    Sabine

  • Huhu,

    ja, das stimmt natürlich - Hilfe annehmen ist schon wichtig.
    Ich glaub ich tu mich da einfach grad unheimlich schwer mit, so eine Situation überhaupt beurteilen zu können und auch zu wollen. Vor allem wenn man diese Situation gar nicht richtig kennt. Und ich war vor allem bei dem Stock-Training.

    Mein Gedanke geht da auch eher in die Richtung, dass es für den Betroffenen selbst möglicherweise auch echt viel ist, was da aus seiner Umgebung auf ihn einprasselt - wie war das noch mit den "gut gemeinten Ratschlägen"...
    Ist es wirklich so, dass er die Behinderung ständig zum Thema macht oder vielleicht auch ein Stück weit das Umfeld, nicht unbedingt bewusst. Das liest sich jetzt vielleicht Meike gegenüber unfair, aber so ist es auf keinen Fall gemeint. Ich kann sie und ihren Frust und auch ihre Sorgen was die Tochter angeht schon sehr gut verstehen. Aber die Situation ist einfach nicht mehr "normal" und ich stell mir das für den Betroffenen selbst schon sehr schwierig vor, denn der möchte ja vielleicht auch lieber so "normal" wie möglich leben.
    Aber er ist derjenige, der der Tochter die Gute-Nacht-Geschichte nicht mehr vorlesen kann und mit so kleinen Dingen immer wieder mit der Situation konfrontiert wird - er ist der "Verursacher".

    Ich weiss nicht genau, ob man meinen Gedankengang so nachvollziehen kann.
    Und wenn es eher um eine Depression oder sowas geht, dann muss natürlich Hilfe angenommen werden - und das jemandem klar zu machen ist bestimmt sehr schwer, wenn dieser nicht will.

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    "Okay", sagte ich, "das ist die Realität. Wir können sie nicht ändern. Wir können nur bestimmen, wie wir damit umgehen. Wir können nichts an den Karten ändern, die wir bekommen, nur an dem Spiel, das wir mit diesem Blatt machen."